Vermeintliche Verwandte von Heinrich Zille

aus Otto Nagel: H. Zille, Veröffentlichung der Deutschen Akademie der Künste, Berlin 1957, S. 179.
Bildzitat: der Künstler vor seiner Staffelei

Der Name Zille scheint eine magische Anziehungskraft zu besitzen. Schon zu Lebzeiten des Künstlers suchte so mancher als vermeintlicher Verwandter seine Nähe, wie uns Rudolf Danke in seinen Erzählungen berichtet.[1] Obwohl der Familienname nicht häufig ist, so ist er auch nicht sonderlich selten – 1928 gibt es im Berliner Adressbuch unter »Zille« zehn Einträge.[2] Auch der Autor dieses Artikels ist lediglich ein Namensvetter.

Als Walter Zille 1939 zum zweiten Mal heiratete, brachte seine neue Frau einen 18jährigen Sohn mit in die Ehe. Dieser Heinz Kulinowski hat offensichtlich einige Jahre bis zu der Erkenntnis gebraucht, dass sich der Name Zille finanziell auszahlen könnte. Denn erst im zarten Alter von 29 Jahren, also 11 Jahre nach der Heirat seiner Mutter, nahm er den neuen Familiennamen an. Und tatsächlich machte sich wenige Jahre später der Namenswechsel in Form von klingenden Münzen bemerkbar – nach dem Tod des Stiefvaters wurde unter der durch Heirat erworbenen Reputation alles verscherbelt, was aus dem Nachlass des Grafikers vorhanden war. So gerieten auch Fotos in den Verkauf, die der Künstler besessen, nicht aber von eigener Hand geschaffen hat. Selbst die Staffelei des Pinselheinrich wurde nicht ohne weiteres innerhalb der Familie abgegeben. Doch der Urenkel konnte sie mangels anderer Interessenten käuflich (!) erwerben,[3] und später dem Zille-Museum als authentisches Relikt zur Verfügung stellen.

Helen Zille ist keine Verwandte

Die frühere Bürgermeisterin von Kapstadt und spätere Premierministerin von Westkap Helen Zille behauptete, eine Großnichte von Heinrich Zille zu sein. Während der Feierlichkeiten zum 150. Geburtstag des Meisters in dessen Heimatstadt Radeburg erfreute sie sich auch aus diesem Grund der Aufmerksamkeit. Dabei unterlagen alle Beteiligten einem Irrtum – denn obwohl es in ihren genealogischen Aufzeichnungen drei Personen mit dem Namen Heinrich gibt, besteht keinerlei verwandtschaftliche Beziehung zum Berliner Grafiker. Dieser hatte lediglich eine kinderlos gebliebene Schwester Fanny Luise sowie einen schon nach 24 Tagen verstorbenen Bruder Rudolph Alfred – und somit zu keinem Zeitpunkt Nichten oder Neffen.

Stattdessen weisen die Angaben von Helen Zille auf deren Großonkel Heinrich Erich Zille, der 1872 in Berlin geboren[4] wurde und 1948 in Wiesbaden verstarb[5]. Auf Grund der abweichenden Lebens- wie auch Ortsangaben kann er ebenso wenig wie dessen Halbbruder Heinrich Johannes Paul Zille, 1867 in Berlin geboren[6] und im Jahr darauf gestorben[7], mit dem Pinselheinrich in Verbindung gebracht werden. Und auch von deren beider Großvater Johann August Heinrich Zille, 1793 in Krina geboren[8] sowie 1855 in Wittenberg verstorben[9], lässt sich keine Brücke zu den aus Colditz stammenden Vorfahren des Berliner Künstler schlagen.

Die südafrikanische Journalistin und Politikerin hat die in ihrem Besitz befindlichen handschriftlichen Aufzeichnungen, die sie von ihren Eltern erhielt, freundlicherweise der Hobbygenealogin Martina Rohde für weitere Untersuchungen zur Verfügung gestellt. Der daraus erstellte umfangreiche Stammbaum kann unter Brandenburg – Datenbank, ein Datenbankprojekt für Ahnenforscher im Land Brandenburg, abgefragt werden. Er zeigt auf, dass sie keine Verwandte des Pinselheinrich ist und die Fehler auf vermeintlichen Erinnerungen beruhen, die auf Grund der Flucht des Vaters vor den Nazis aus Deutschland und dem damit verhinderten Zugriff auf Dokumente nicht korrigiert werden konnten. In Folge dessen hat sich die südafrikanische Politikerin korrigiert und die vermeintliche Verwandtschaft 2016 in ihrer Autobiografie[10] zurückgenommen.

Bildzitat

  aus Otto Nagel: H. Zille, Veröffentlichung der Deutschen Akademie der Künste, Berlin 1957, S. 179.

Anmerkungen

[1] Rudolf Danke: Heinrich Zille erzählt … Gespräche und Erlebnisse mit dem Meister, Dresden 1931, S. 7. 
[2] Berliner Adreßbuch für das Jahr 1928, Teil 1: Bewohner von Berlin, S. 3996. 
[3] Mitteilung von Hein-Jörg Preetz-Zille per Telefon im September 2014. 
[4] Taufe, Kirchenbuch »Zum Heiligen Kreuz« Nr. 866/1872. 
[5] Standesamt Wiesbaden Nr. 1139/1948. 
[6] Taufe, Kirchenbuch »St. Lukas« Nr. 355/1867. 
[7] Bestattung, Kirchenbuch »Zum Heiligen Kreuz« Nr. 687/1868. 
[8] Taufe, Kirchenbuch Krina Nr. 9/1793. 
[9] Bestattung, Kirchenbuch Wittenberg Nr. 93/1855. 
[10] Helen Zille: Not without a fight: The autobiography, Cape Town 2016, S. 20. 

14. Januar 2023